Pump and Dump – deutsche Anleger besonders häufg betroffen

Der Begriff German Stupid Money hat sich mittlerweile einen Ehrenplatz im Börsenlexikon verdient. Und nein, mit „Deutschem Dummen Geld“ sind nicht die Übernahmetätigkeiten eines Leverkusener Chemiekonzerns gemeint. Vielmehr hat sich die Bezeichnung als ein Aphorismus für die Vorliebe deutscher Anleger etabliert, in kleine, häufig unprofitable und besonders häufig kanadische Unternehmen zu investieren. In diesem Zusammenhang hat sich auch die Bezeichnung Pump and Dump durchgesetzt.

Für gewöhnlich werden insbesondere Pennystocks, also Aktien im Cent-Bereich, mit den skurrilsten Verheißungen an den Mann gebracht. Nachdem die Aktien eine kurze Bergfahrt vollführt haben, verkaufen die Initiatoren ihre Anteile. Die Kurse fallen ins Bodenlose. Deutsche Anleger gelten als besonders anfällig: Im Schnitt werden Pennystock-Positionen mit einer Performance von –50 Prozent geschlossen. Wir klären über das „Aufpumpen und Wegwerfen“-Phänomen auf und zeigen Ihnen, wie Sie sich vor dieser Betrugsmasche schützen.

Börsenlandschaft Kanada: Wilder Westen für Pennystocks?

Zugegeben, die Pump-and-Dump-Strategie findet man nicht nur auf dem kanadischen Börsenparkett. Dennoch ist der nordamerikanische Aktienmarkt prädestiniert für diese Masche. Grund: Die Canadian Securities Exchange (CSE), eine von mehreren in Kanada beheimateten Börsen, stellt außerordentlich niedrige Listingvoraussetzungen. Aufgrund der dort geltenden sogenannten Listing Requirements können selbst Unternehmen mit höchst fraglicher Bilanz, flacher Aktionärsstruktur und nicht zuletzt dubiosem Geschäftsmodell eine Notierung an der CSE erhalten. Wer Aktien solcher Unternehmen kauft, der kauft in der Regel eines: eine Story. Nicht mehr und nicht weniger.

Beim Kauf von kanadischen Aktien, gut erkennbar am Kürzel CA am Anfang der ISIN, sollten Sie demzufolge die Heimatbörse herausfinden. Dies gelingt zum Beispiel über die Homepage der Aktiengesellschaft. Pennystocks sind jedoch für ihre Intransparenz bekannt und erschweren aufmerksamen Marktteilnehmern gerne die Recherche. Eine smarte Alternative: Nutzen Sie die kostenlose Plattform Marketscreener. Beim Aufrufen des jeweiligen Wertpapiers wird in den Standardeinstellungen automatisch die Heimatbörse angezeigt.

Eine Notierung an der CSE bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Aktie zwecks Pump and Dump in Umlauf gebracht wurde. Ein Ausdruck der Seriosität ist ein Listing an der CES jedoch ebenfalls nicht. Versiertere Anleger können zudem die Handelsvolumen checken. Werden zum Beispiel ausländische Aktien zu einem Großteil an deutschen Handelsplätzen gehandelt, ist ebenfalls Vorsicht geboten.

Kapitalmaßnahmen an der Tagesordnung

Neben dem Börsenplatz ist das Imagegebaren des Managements häufig ein Indikator für die Gier nach German Stupid Money. Eine gute Story will auch erzählt werden! So arbeiten in der hauseigenen PR-Abteilung nicht selten mehr Mitarbeiter als im eigentlichen Betrieb und veröffentlichen tagtäglich Dutzende Posts via Social Media. Sogar inszenierte Interviews gehören zum Einmaleins manch einer Promotion-Maschinerie. Man gibt sich die größte Mühe, die Anleger bei Laune zu halten.

Ein weiteres Charakteristika der Pump-and-Dump-Taktik sind Kapitalmaßnahmen: Um das defizitäre Geschäft über Wasser zu halten, werden neue Aktien ausgegeben. Das Management finanziert sich quasi durch die Bereitschaft der Anleger, ihren Anteil am Unternehmen auszubauen; ihren Einstandskurs zu senken. Achten Sie demnach auf den Verlauf der Aktienanzahl. Steigt die Menge der Wertpapiere ungewöhnlich rapide, so handelt es sich unter Umständen um ein unprofitables Unternehmen, das unter Umständen längst hätte Insolvenz anmelden müssen.

Reichen die Barmittel lange genug, kann an Tag X die Rakete starten. Sobald dubiose Börsenbriefe das „Potenzial“ der Unternehmung thematisieren und sich die Story in Anlegerforen herumgesprochen hat, steigt das Kaufinteresse. Die Kurse klettern. Kleinanleger wittern die Chance aufs schnelle Geld und springen auf den fahrenden Zug. Für Frühinvestoren ist nun die Zeit gekommen, Kasse zu machen. Insider verkaufen ihre Anteile und streichen satte Gewinne ein. Wer jetzt nicht frühzeitig abspringt, gerät unter die Räder.

5-Jahres-Chart der TAAT Global Aktie in CAD. Quelle: Finanzen.netlternatives Aktie. Quelle: Finanzen.net

Als ein Paradebeispiel für Pump and Dump darf die Aktie der TAAT Global Alternatives Inc. angeführt werden. Das Papier bescherte frühen Käufern einen satten Vervielfacher. Die Story: Das Management versprach eine marktreife Zigarette aus alternativen Inhaltsstoffen, die die weltweite Tabakindustrie revolutioniere. 100 Prozent Tabakgeschmack bei 0 Prozent Schadstoffgehalt. Ein Milliardenmarkt. Angeblich! Aufnahmen von bis zur Decke gefüllte Lagerhallen, Abnahmeverträge mit führenden Zigarettenmarken und weitere Sensationsmeldungen machten die Runde.

Vier Jahre später notiert die Aktie um die 0,30 Euro. Auf der News-Seite des Unternehmens herrscht gähnende Leere, der hauseigene Youtube-Kanal wurde eingestampft und das Management fährt Personalkarussell. Im Oktober 2023 tätigte TAAT Global Alternatives sogar einen Aktiensplit, einen Reverse Split im Verhältnis 1:10. De facto notierte die Aktie also nie um die 35 Kanadische Dollar, wie es der hochgerechnete Chart vorgibt. Ohne Kurs-Kosmetik würde die Aktie um die 3-Cent-Marke pendeln. Mehr Pennystock geht nicht!

German Stupid Money – Wer hat’s erfunden?

Zurück zum Deutschen Dummen Geld. Woher stammt der Begriff? Eine Erklärung lässt sich im fernen Hollywood finden. Hier hatte man um die Jahrtausendwende außergewöhnliche Spielfilm-Fonds aufgelegt. Und, wie hätte es anders sein können, investierten insbesondere viele Deutsche in besagte Fonds. Den Geldgebern lagen jedoch nicht der Erfolg der Filme beziehungsweise Gewinne an den Kinokassen am Herzen. Die Idee lautete, aus der Filmproduktion entstandene Verluste steuerlich geltend machen zu können. Ergo waren Finanzierungsvehikel für Streifen, bei denen ein Misserfolg vorprogrammiert schien, besonders begehrt. Die Geburtsstunde des German Stupid Money.

Mittlerweile ist das Schlupfloch gestopft: Seit einer Reformierung des Steuerrechts 2005 bringen Medienfonds, wie sie zuvor im Wochentakt auferlegt wurden, praktisch keine steuerlichen Vorteile mit sich. Infolgedessen kollabierten die Mittelzuflüsse innerhalb weniger Monate von zuvor rund 1,5 Milliarden Euro (2004) auf zwölf Millionen Euro (2006).

Deutsche Börse eine Schlüsselfigur?

Der Begriff German Stupid Money kommt also nicht von ungefähr. Und auch zwei Jahrzehnte nach dem Run auf Negativ-Fonds fließt aus dem Land der Dichter und Denker kräftig dummes Geld ins Ausland.

Heutzutage sind es eben nicht mehr schlecht gemachte Kinofilme, die dem Mitteleuropäer das Geld aus den Taschen ziehen. Medienfonds wurden ausgetauscht gegen Pump-and-Dump-Aktien. Warum es ausgerechnet deutsche Anleger sind und warum ausgerechnet kanadische Aktien auf so starkes Interesse treffen, lässt sich nicht gänzlich klären. Es steht jedoch außer Frage, dass eine breite, verschwiegene Community hinter den Geldvernichtungs-Kampagnen stecken muss. Ein wichtiges Zahnrad im Pump-and-Dump-Getriebe beispielsweise bilden deutsche Makler. Diese bemühen sich um ein Listing der kanadischen Aktien an einem Handelsplatz in der Heimat. Wohl ahnend, dass sich hinter ihren Schäfchen häufig nur Briefkastenunternehmen verbergen!

So unglaubwürdig es auch klingen mag: Die Deutsche Börse stärkte einst maßgeblich den heutigen Pump-and-Dump-Markt. Denn mit einer Reform im Jahr 2015 zum Schutze der Anleger verschärfte die Aufsicht ihr Regelwerk insofern, als dass dem sogenannten Duallisiting für ausländische Aktiengesellschaften ein Riegel vorgeschoben wurde. Konkret handelte es sich bei den Zweitlistings um leere Aktienhüllen, insbesondere von Unternehmen aus der Schweiz, den Bermudas und Malta. Und tatsächlich: Nach der Listing-Reform brach der Handel mit diesen Wertlos-Papieren massiv ein.

Auftritt Kanada! Die Deutsche Börse versäumte es, aus welchen Gründen auch immer, die CSE auf ihre Verbotsliste zu setzen. Aus ebenso unergründlichen Gründen wurde die Liste der Kandidaten nach wie vor nicht erweitert! Ein Schelm, wer die Vermutung anstellt, das Wohl der (Klein-)Anleger spiele in Frankfurt doch keine so große Rolle, wie allgemein proklamiert. So rollt der Penny weiter. Insbesondere während des Börsen-Runs 2020/2021 verdienten manch kluge Köpfe via Pump and Dump kräftig.

Schäden in Millionenhöhe

Das Ausmaß der Pump-and-Dump-Masche haben die Booth School of Business (Chicago) sowie die Harvard Business School (Boston) in Kooperation mit den Hochschulen Berlin, Frankfurt und Hannover untersucht. Das Ergebnis: Im Schnitt ruft jede Pump-and-Dump-Strategie Schäden von 1,2 Millionen Euro hervor. Aktionäre verlieren knapp die Hälfte ihres eingesetzten Kapitals. Da die Studie aus dem Jahr 2018 stammt, liegen die aktuellen Zahlen vermutlich weit höher, da insbesondere im Post-Corona-Börsen-Boom viele Pennystocks auf den Markt drängten.

Besorgniserregend: 11 Prozent der Investoren investieren nicht nur in einen Pennystock. Bis zu fünf Verlustbringer landen bei einigen Aktionären im Portfolio. Ein Lerneffekt stellt sich selten ein. Im Gegenteil: Getreu dem Motto Jetzt erst recht wird entweder fleißig nachgekauft, um den Einstandskurs zu drücken, oder mit einem neuen Hot-Stock spekuliert.

Ausnahmen bestätigen die Regel. Oder doch nicht?

Derweil scheint das Interesse an kanadische Pennystock abzuflachen, doch ein Revival der Glücksbringer aus Übersee ist keineswegs ausgeschlossen. Zugleich ist zu betonen, dass nicht sämtliche Pennystocks über einen Kamm zu scheren sind. Es existieren durchaus Unternehmen, die nach wie vor Chancen haben, ein nachhaltiges Geschäftskonzept zu erschließen.

Ein gutes Beispiel für eine riskante, aber dennoch aussichtsreiche Aktie ist die der Nano One Materials Corp. (ISIN: CA63010A1030). Ziel des Start-ups ist es, neue und effizientere Recycling-Methoden für Batterien auf den Markt zu bringen. Großkonzerne wie die BASF SE scheinen durchaus Potenzial in der Technik zu sehen und haben bereits eine Absichtserklärung abgegeben. Leider lässt der Break-even-Point auf sich warten – nachhaltige Umsätze fehlen, die Forschung verschlingt Quartal für Quartal Geld, das Eigenkapital nimmt stetig ab und die Verbindlichkeiten steigen.

Ein Dilemma! Viele Unternehmen mit einer zwar risiko-, aber dennoch aussichtsreichen Idee leiden unter dem Pennystock-Image. Die Nano One Materials Corp. etwa forscht seit Jahren an neuartigen Batterie-Recycling-Methoden, die zumindest in der Theorie eine kleine Revolution im Energiespeichermarkt bewirken könnten. Ungeachtet aussichtsreicher Patente und positiven News bleibt die Nano One Materials Aktie ein Hoch-Risiko-Papier. Laut Quartalsbericht Q3 2023 zumindest sank das Umlaufvermögen auf 28,01 Mio. CAD (42,6 Mio. CAD), die Verbindlichkeiten stiegen auf 7,42 Mio. CAD (2,62 Mio. CAD) und der Verlust pro Aktie kletterte auf 0,07 CAD (0,02 CAD).

Das Beispiel Nano One Materials legt zwei weitere Warnzeichen offen. Warnzeichen Nummer eins: Pennystocks werben mit Abnahmeverträgen oder Kooperationen. Hierbei handelt es sich jedoch in der Regel lediglich um Absichtserklärungen. Großkonzerne sichern sich häufig Exklusivrechte, scheuen allerdings konkrete Investitionen in diese Risikounternehmungen. Meldungen über Absichtserklärungen sind mit Vorsicht zu genießen. Denn sollte das Produkt floppen oder die Aktiengesellschaft aus anderen Gründen ihre Forschung beziehungsweise ihren Betrieb einstellen müssen, entstehen für die potenziellen Partner in spe keine Nachteile. Zumindest keine existenzbedrohenden! Privatanlegern hingegen droht, wie bei jedem Investment in Unternehmen via Aktienkauf, der Totalverlust.

Warnzeichen Nummer zwei: Auf den Websites der Unternehmen sind Reiter zwecks Sprachwechsel zu erkennen. Die Logik dahinter ist offensichtlich. Der (deutsche) Besucher und (eventuelle) Investor kann sich noch schneller von der Story überzeugen. Im Zeitalter automatischer Übersetzungssoftware sind solch Reiter im Grunde genommen überflüssig. Doch manch eine Formulierung mag im Google-Translator-Sprech weniger faszinierend als der hauseigene und auf Sprachfloskeln und Fachbegriffe abgestimmte Promotion-Content klingen. So findet das German Stupid Money noch schneller den Weg ins (Un-)Glück.

So tappen Sie nicht in die Pump-and-Dump-Falle

  • Marktkapitalisierung und Aktienkurs beachten
  • Heimatbörse ermitteln
  • Handelsvolumen identifizieren
  • Umsätze, Gewinne und Bilanz checken
  • Aktionärsstruktur und Aktienanzahl einsehen
  • Management und PR-Abteilung hinterfragen
  • Kooperationen auf Verbindlichkeiten prüfen
  • Website nach Ungewöhnlichkeiten durchleuchten

Fazit

Pump and Dump lebt! Seit Jahrzehnten fließt German Stupid Money in die skurrilsten Unternehmungen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Mittlerweile haben die meisten Anleger Erfahrungen mit Pennystocks gesammelt, insbesondere mit solchen aus Kanada. Die jüngsten Entwicklungen um die Themen wie Cannabis und Künstliche Intelligenz offenbaren jedoch das ungebremste Interesse, besser gesagt die kostspielige Leichtsinnigkeit vieler Anleger.

Selbstverständlich sind Pennystocks nicht per se als Verlustbringer abzustempeln. Auch müssen kanadische Aktien nicht zwangsläufig mit betrügerischen Absichten in den Umlauf gebracht werden. Die Korrelationen sind jedoch zu eindeutig, als dass Wertpapiere kleinerer Unternehmungen aus Kanada, insbesondere solche mit einer Notierung an der CSE, nicht als riskant einzustufen sind.

An dieser Stelle möchten wir uns ausdrücklich von jeder Form von Pump and Dump distanzieren! Beiträge auf Aktienhaus Lauer geben grundsätzlich keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung, sondern dienen in erster Linie der Information. Bei Pump and Dump handelt es sich unserer Meinung nach um Betrug.

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Haftungsausschluss

Der Autor weist darauf hin, dass er keinerlei Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität der im Text genannten Informationen gibt. Zudem besteht die Möglichkeit, dass er Aktien der erwähnten Unternehmen besitzt und/oder zu erwerben gedenkt, wodurch ein Interessenkonflikt gegeben sein kann. Wer also Anlageentscheidungen auf Basis der in diesem Beitrag genannten Angaben trifft, handelt auf eigene Verantwortung.

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